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Predigt Kantate, 28. 4.2024, Schöller. Text: Offb 15,2-4, von Pastor Kurt Erlemann


Das Lied der Überwinder2 Und ich sah ein Meer wie aus Glas, von Feuer durchglüht. Und alle, die siegreich dem Tier, seinem Götzenbild und dem Unheil der Zahl 666 entkommen waren, standen am Ufer des gläsernen Meeres mit Harfen von Gott 3 und sangen das Lied des Mose, der Gott gehorsam war, und das Lied des Lammes: ´Herr, Gott, der du überall herrschst. Großes und Wunderbares hast du getan. Gerecht und dauerhaft hast du gehandelt. 4 Du König der Völker, alle fürchten und lobpreisen deinen Namen. Denn du allein bist heilig, und alle Völker werden kommen und niederfallen vor dir. Denn dein Wirken in der Geschichte ist offenbar geworden. 


Liebe Schölleraner, liebe Gruitener, 



endlich geschafft! So bringen wir das Ende großer Anstrengung, das Ende einer langen Durststrecke auf den Punkt. Endlich geschafft! Wir sind tief erleichtert; eine Riesenlast ist von unseren Schultern abgefallen, die entscheidende Prüfung bestanden, das lange Leiden endlich überwunden. Endlich geschafft – ein in Worte gefasster, tiefer Seufzer; wir fühlen uns ausgelaugt, müde, aber glücklich. Endlich können wir wieder Luft holen. Nach Stress und Entbehrung finden wir endlich Entspannung und Ruhe – himmlische Ruhe und inneren Frieden. 


Endlich geschafft! Das könnte auch die Überschrift über dem heutigen Predigttext sein. Diejenigen, die zeit Lebens den Übergriffen des Bösen getrotzt haben, stimmen mit göttlichen Harfen einen erleichterten Lobgesang an. Sie loben Gott, den Allherrscher, der sie in wunderbarer Weise bewahrt hat. Sie loben Gott, der sich endlich allen Menschen zu erkennen gegeben hat als der Heilige, als der geschichtsmächtige König aller Völker. 


Die Szenerie ist surreal: Die Geretteten stehen an einem Meer aus Glas, durch Feuer ausgehärtet – ein Bild wie aus dem Science-Fiction-Film, in seiner Symbolkraft klar: Die bewegte Geschichte der Menschheit hat ein Ende gefunden; die Elemente Feuer und Wasser streiten nicht mehr gegeneinander, sondern haben sich zu maximaler Ruhe und absolutem Frieden vereinigt.


Was die Sängerinnen und Harfenspieler am Ufer dieses gläsernen Feuermeeres hinter sich haben, wollen wir gar nicht so genau wissen – es ist in den apokalyptischen Bildern der Johannesoffenbarung verewigt. Wir lesen dort von übermenschlichen Leiden, Verfolgungen und Versuchungen; ein apokalyptisches Katastrophenszenario mit unzähligen Opfern. Für viele, allzu viele Menschen war es eine unerträgliche Zeit, überfordernd, in die Verzweiflung treibend. Ein Ende war nicht in Sicht, schon gar kein gutes. Der Terror des Bösen war allgegenwärtig, in Gestalt des römischen Kaiserkults, in Gestalt religiösen Fanatismus´, in Gestalt täglicher Schikanen und Diffamierungen – Alltag für die Christinnen und Christen, an welche die Johannesoffenbarung ursprünglich gerichtet war. Doch von jetzt auf gleich: Ende, Ruhe, Frieden – endlich geschafft! Wie damals, 1945, nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie heute leider noch nicht in der Ukraine, in Nahost, im Sudan und in vielen anderen Regionen unserer Welt.


Der Predigttext stellt heraus: Es gibt ein Ende von Leid und Terror, von Verfolgung, Hunger und Elend. Es kommt die Zeit, wo wir sagen können: Endlich geschafft! Gegen allen Augenschein, gegen all das, was uns tagtäglich in den Medien um die Ohren fliegt und was wir persönlich erleben, in unserer ganz persönlichen Apokalypse. In den Trennungserfahrungen, Krankheiten und Existenzängsten. In der Trauer um liebe Menschen, in der Ohnmacht angesichts von Krieg, Klimakatastrophe und tödlichen Diagnosen. Alledem zum Trotz wird am Ende alles gut, wird Gott seine Wirkmacht global zeigen, werden die Menschen zur Erkenntnis kommen, dass es jenen unsichtbaren Gott doch gibt. Gegen allen Augenschein kann unser Leben von jetzt auf gleich eine gute Wendung nehmen, weil Gott die Fäden in der Hand hält. Dann werden wir versöhnt sein mit all den Ungereimtheiten und Fragen unseres Lebens. Irgendwann wird alles glasklar und eindeutig sein, wie durchs Feuer geläutert. Am Ende wird eindeutig sein, was uns durchs Leben getragen hat und was nicht. Dann werden wir Gott ein Loblied anstimmen, werden wir singen und danken dafür, dass die Hoffnung uns getragen hat und wir nicht in die Verzweiflung abgestürzt sind. 


Am Ende …. liebe Gemeinde, das klingt nach Vertröstung, ich gebe es zu. Was hilft mir die vage Auskunft, dass irgendwann in ferner Zukunft alles gut sein soll, wenn ich jetzt schon keine Kraft mehr spüre, wenn die offenen Wunden meiner Seele mir heute das Herz zerreißen? Dann ist guter Rat teuer, dann kommt auch Seelsorge an ihre Grenzen. Dann bleibt oft nur noch gemeinsames Schweigen, gemeinsames Klagen, einander in den Arm nehmen und Nähe zeigen. Aber was heißt hier eigentlich nur noch? Ich finde, all das ist enorm wichtig und enorm viel. Denn die Nähe, die wir einander geben, ist nichts anderes als verwirklichte Nähe Gottes! Wo wir einander nah sind, ist Gott uns nah. Und: Wo wir Menschen gemeinsam beten, wird das Gebet lauter und dringlicher, findet es ganz oben ganz sicher Gehör.  


Und dann gibt es noch eine erstaunliche Erfahrung: Wo Menschen gemeinsam schweigen, besteht die Chance, Gottes Stimme zu hören – abseits der Dauerbeschallung, der wir im Alltag ausgesetzt sind. Wenn wir still werden, könnte zum Beispiel das Wort Jesu wieder zu uns durchdringen: „Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch Kraft geben.“ Im gemeinsamen Schweigen, wenn uns keine Worte des Trostes mehr einfallen, steckt eine große Chance. Schon der in seiner Depression sprachlos gewordene Prophet Elia erfuhr: Gott ist nicht der Gott des Getöses, nicht der Gott der Empörokratie von Facebook & Co., sondern der Gott des leisen Säuselns im Wind. Gott ist ein Gott der leisen Töne, der Sanftmut. Dagegen können all die lauten Stimmen um uns her, die uns das Fürchten lehren wollen, nichts ausrichten. Der Gott der leisen Töne ist stärker. Er kann uns aufrichten und unserem Leben jederzeit eine wunderbare Wendung geben. 


Liebe Schölleraner, liebe Gruitener, was wir mit unseren Augen sehen und mit unseren Ohren hören können, ist längst nicht die ganze Wirklichkeit. Unsere Wirklichkeit mit all ihren Misstönen und Irrlichtern ist umrahmt von einer anderen, heilsamen Wirklichkeit, sie ist umrahmt von Gottes Güte, seiner oft unsichtbaren Führung und Nähe. Gott navigiert uns durch die Stromschnellen unseres Lebens hindurch zu einem sicheren, friedlichen Ufer, an dem wir ausruhen können. Und damit wir gut dort ankommen, hält er uns immer wieder ruhige Strände bereit, wo wir neue Kraft und Orientierung finden können – mitten im Alltag. Wo immer wir innehalten, uns ausklinken, wo wir die kleinen Inseln des Glücks pflegen, wo wir einander Nähe schenken, finden wir Zuversicht, Entspannung und inneren Frieden.  


Trainieren wir täglich ein wenig, uns auszuklinken, nehmen wir uns bewusst Auszeiten von Social Media und der Flut an negativen Nachrichten und Empörungsblogs. Pflegen wir die kleinen Inseln des Glücks, wenden wir uns einander zu und lassen uns gegenseitig die wohltuende Nähe Gottes spüren. Das macht uns widerstandsfähig, dankbar und stark. Das gibt uns die nötige Orientierung, den Kompass für unser Leben. Und der weist uns zum guten Ziel hin, das Gott für uns bereitet hat.


Amen.



Predigt Misericordias Domini, 14. 4.2024, Gruiten. Text: Gen 16,1-16, von Pastor Kurt Erlemann


Liebe Gruitener und Schölleraner, 


in dieser Erzelternerzählung geht so einiges schief. Abram und Sarai, wie sie damals noch heißen, beide schon weit über 80, warten seit Jahrzehnten vergeblich auf Nachwuchs, der von Gott anno dazumal verheißen wurde. Hagar, die Dienstmagd, wird sozusagen als Leihmutter benutzt und spielt sich gegen Sarai, ihre Herrin, auf. Die kinderlose Sarai wird so ein zweites Mal gedemütigt – war doch und ist bis heute Kinderlosigkeit ein Makel, den betroffene Frauen durchaus als Demütigung erfahren können. Abram scheint nicht Herr der Lage und wird von seiner Frau übel beschimpft. Hagar wird daraufhin von Sarai gedemütigt und flieht in ihrer Not (oder aus Rache, wer weiß) mit dem lang ersehnten, noch ungeborenen Stammhalter.


Bis dahin klingt alles nach Zickenterror und einer ziemlich zerfahrenen Dreier-Beziehungskiste. Eines fällt auf: Von Liebe ist in keinem Vers die Rede. Der Vorschlag Sarais, Abram möge die Dienstmagd schwängern, war vielleicht ein Akt der Vernunft, wenn nicht der Verzweiflung. Sarais Kalkül: Wenn das noch etwas werden soll mit Nachwuchs, muss es Abram möglichst bald mit einer Jüngeren versuchen – er war ja auch nicht mehr der Jüngste. Zumindest könnte es dann einen rechtlichen Erben geben. 


Das Vertrauen in Gottes Verheißung reicher Nachkommenschaft scheint restlos überstrapaziert – kein Wunder, ca. 30 Jahre nach der Menopause. Also nehmen die noch-nicht-Erzeltern das Heft der Verheißung selbst in die Hand, mit beinahe verhängnisvollen Folgen. 


Zugegeben: Die Erzelternerzählungen lesen sich über weite Strecken als übermenschliche Geduldsprobe, und wer am Ende den Verheißungsfaden weiterspinnen darf, ist nicht vorhersehbar – wie bei einem guten Krimi mit vielen überraschenden Wendungen. Und so erleben wir Abram und Sarai nicht nur einmal überfordert. Das Ehepaar will trotz der Verheißungen Gottes nichts anbrennen lassen und geht recht eigenwillige Wege, um das mit der Verheißung selbst auf die Reihe zu kriegen. Dass die Beiden damit für manche Irritation und Verärgerung sorgen, liegt in der Natur der Sache. Erst ganz spät – Abraham ist bereits sage und schreibe hundert Jahre alt – kommt der biologische Wunderknabe Isaak, der künftige Verheißungsträger, zur Welt. Wer hätte das gedacht – seine Eltern jedenfalls nicht. Später soll Abraham seinen Sprössling sogar noch zurückgeben, aber das ist eine andere Story. Die hatten wir vor ein paar Wochen schonmal. Meine Predigt dazu können Sie auf der Homepage nachlesen – wie die heutige übrigens auch schon bald.


Liebe Gruitener und Schölleraner, ich möchte auf den Punkt kommen, nach so viel Vorgeplänkel und Befindlichkeitsstudien. Liest man den Text bis zu Ende, kann man eine spannende Feststellung machen: Nach Demütigung in Teil 1 erfahren in Teil 2 Hagar, aber auch Sarai, Wertschätzung. Hagar, die instrumentalisierte Leihmutter, hat eine wundersame Begegnung mit einem Engel Gottes, symbolträchtig an einer Wasserquelle. Sozusagen als göttliche Wiedergutmachung für die erlebte Demütigung erhält sie nun selbst die göttliche Verheißung reicher Nachkommenschaft. Ismael, der „Wildesel“, wie es heißt, immer gut für Streit und Zoff, wird ihr Sohn sein und Vater zahlreicher Enkelkinder für Hagar, die Dienstmagd. Sie fühlt sich außerordentlich wertgeschätzt und bringt das in ihrem kleinen Bekenntnis zum Ausdruck: „Du bist ein Gott, der mich wahrnimmt“ – im Unterschied zu ihren Hauseltern, könnte man ergänzen. 


Für Hagar, die frisch Gebenedeite, wird die Wasserquelle zum Brunnen neuen Lebens. Und als göttlich wertgeschätzte Frau wird es ihr leichter gefallen sein, sich der göttlichen Order zu fügen und sich nach ihrer Rückkehr Sarai unterzuordnen. So wird aus der unglückseligen Beziehungskiste, aus den gegenseitigen Demütigungen eine Geschichte gegenseitiger Wertschätzung. Hagar wird Teil der Verheißungsgeschichte Gottes, wenn auch nur eines Nebengeleises, aber immerhin. Eine steile Karriere, von der Dienstmagd zur Verheißungsträgerin. Und bis zu Isaaks Geburt ca. 14 Jahre später darf sie sich sogar als Mutter des erstgeborenen und einzigen Sohnes Abrams wähnen. 


Liebe Gemeinde, wieso und weshalb Gott seine auserkorenen Erzeltern so lange schmoren lässt, bis sie aus Skepsis und Verzweiflung ihre eigenen, krummen Wege gehen, um Gottes Zusagen in Eigenregie Wirklichkeit werden zu lassen, wissen wir nicht. Vielleicht ist ja alles nur ein großer Glaubenstest, um herauszufinden, wie weit das Vertrauen der beiden alten Leute tatsächlich reicht. Vielleicht ist es aber auch eine Story über das Vertrauen Gottes zu seinen erwählten Menschen: Er lässt sie an der langen Leine laufen, lässt sie ihre eigenen Erfahrungen machen, mit all den Irrungen und Wirrungen, denen wir Menschen im Laufe unseres Lebens nun einmal erliegen, um – und jetzt kommt es: am Ende im Gottvertrauen anzukommen, um im Rückblick auf ein buntes Leben die oft verborgene, aber heilvolle Führung Gottes zu entdecken und Gott dafür wertzuschätzen. Abram braucht noch bis zu Isaaks Opferung, um an diesen Punkt zu kommen. 


Wie auch immer: Die Story von Sarai und Hagar ist Teil der verwickelten Geschichte Gottes mit uns Menschen. Eine Geschichte, in der am Ende alles gut wird – trotz unserer Irrungen und Wirrungen. Gott kann aus unseren manchmal recht zweifelhaften Entscheidungen, aus all dem Bockmist, den wir auf unserem Weg produzieren, etwas Gutes machen. In überraschenden Wendungen gibt er uns immer mal wieder eine neue Richtung vor, betreibt quasi von hinten das Krisenmanagement unseres Lebens, setzt uns behutsam wieder auf die rechte Spur, auf der es dann weitergehen soll zu einem guten, versöhnlichen Ende. 


Liebe Gemeinde, eines sind wir sicherlich nicht: Wir sind keine Marionetten an den unsichtbaren Fäden eines göttlichen Puppenspielers. Wie unsere persönliche Lebensstory ausgeht, ist tatsächlich offen. An Gott soll unser Leben aber nicht scheitern, eher schon an unserer Blindheit und Sturheit. Ich wünsche Ihnen und mir einen offenen Blick für Gottes Pläne mit uns und die Fähigkeit, im Zweifel auch einmal den eingeschlagenen Kurs zu verlassen und der Stimme unseres Herzens zu folgen. So wachsen wir im Glauben und Vertrauen auf Gott, der es jederzeit gut mit uns meint und uns wie ein guter Hirte auf saftige Weiden führen möchte. Dieses Vertrauen möge uns stärken auch in schweren Zeiten, in den Sackgassen und Umleitungen unseres Lebens, dann, wenn wir das gute Ziel aus den Augen zu verlieren drohen. Gott ist ein Gott, der uns wahrnimmt, egal wie klein wir sind, der uns wertschätzt als einzigartige Menschen, und der uns immer wieder den rechten Weg zeigt.

 

Amen.




,Predigt Ostern, 31. 3.2024, Schöller & Gruiten

„Mal angenommen … da berühren sich Himmel und Erde“

 

Mal angenommen das stimmt, was da an Ostern berichtet wird in der Bibel. Wenn das stimmt, dass der Tod überwunden wurde und nicht mehr das letzte Wort hat. Wenn das Leben über dem Tod steht und Menschen sich davon überzeugen konnten…

 

Mal angenommen du glaubst, was in diesem Ei jetzt hier drin ist, ohne es selbst zu wissen. Wenn du aus purem Vertrauen für möglich hältst, was andere dir darüber berichten. Wenn du keine Biologie studiert hast, aber dir vorstellen kannst, wie ein Ei innen aussieht, weil es deiner Erfahrung entspricht…

 

–> … dann ist Ostern!!

 

Dann passiert etwas, was vorher keiner für möglich gehalten hat. Dann tun sich neue Wege auf, wird unvorstellbares vorstellbar, nie erlebtes erlebbar, dann öffnet sich der Himmel.

 

Mal angenommen, dir ist WICHTIG, was da an Ostern passiert. Dann ist das wie mit so einem Ei: Du siehst nichts, du schmeckst nichts und du riechst nichts. Das Ei liegt einfach so da, lässt sich in die Hand nehmen und lässt sich von dem hier (Styroporei) nicht unterscheiden aus der Entfernung. Gut gemachte Gipsfälschungen werden sogar von Rangern im Austausch in Gelege plaziert zum Artenschutz.

 

Wenn dir wichtig ist, was da an Ostern passiert, ist es wie mit diesem Ei, weil es ein Symbol ist für dein Leben: Auch du kannst dein Leben einfach so dahinleben, nichts Umwerfendes passiert. Doch dann platzt das Ei auf und ein Küken, ein neues Leben bricht sich Bahn durch die Schale auf diese Welt. Ein neues Leben bricht an aus dem so tot scheinenden Ei - an Ostern.

 

Mal angenommen, das war wirklich so, dass mit Jesus ein neues Leben hervorgebracht wurde, dann ist das wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei - nur mit einer ganz anderen Lösung: beides ist EINS geworden. Da wird aus Ei neues Leben, schlüpft ein Küken, wo kein Leben vorher sichtbar war.

 

Wenn mit Jesus Auferstehung neues Leben entstanden ist, dann hat der Tod seinen Schrecken verloren. Dann ist der Tod als Teil des Lebens nicht mehr die schwarze Wand und Übermacht, vor der sich sogar Jesus fürchtete, sondern dann bekommt Gottes Wirken eine klare Perspektive. Man kann diese Perspektive Ewigkeit nennen, manche sagen Himmel dazu, andere ganz verklärt Licht. Ich sehe vielmehr den Sinn darin, dass Gott für uns eine neue Realität bereithält, die wir noch gar nicht vorstellen und sehen können.

 

Mal angenommen dieses „OSTERN“ hat etwas mit mir zu tun, mit DIR zu tun, dann bleibt nichts mehr, wie es war. Dann hat Ostern diese Welt komplett auf den Kopf gestellt. Denn: Dann ist nicht mehr Gott im Himmel und ich Mensch lebe mein Leben allein hier auf der Welt und darf darauf hoffen, irgendwie in den Himmel zu gelangen.

Nein, dann bricht Leben mit Gott jetzt und hier an! Dann fängt mit diesem Moment für DICH, für mich ein neues Leben an. Dann zeigt sich Gottes übermäßige und uneingeschränkte Liebe an dir und für dich. In dem Moment zählt nicht mehr, was du verdienst. Es zählt nicht mehr, ob du dein Leben tadellos geführt oder verbockt hast. Es zählt nicht mehr, dass wir Menschen uns entschieden haben, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen statt auf Gottes Führung zu bauen.

Mal angenommen, dieses OSTERN hat etwas mit dir zu tun, weil es dir wichtig geworden ist, weil du darauf baust und dir das für dich reklamierst, dann berühren sich Himmel und Erde, dann wird Gott und wir eins, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt er schon in unserer Welt.


 AMEN


Predigt Karfreitag, 29. 3.2024, Schöller & Gruiten. Text: Mt 27,33-54, von Pastor Kurt Erlemann


Liebe Schölleraner, liebe Gruitener,


„Hochmut kommt vor dem Fall“ heißt ein bekanntes Sprichwort. Egal ob die Fußball-Nationalmannschaft, ob selbstherrlich auftretende Politikerinnen und Politiker, ob die Institution Kirche mit ihren besonderen moralischen Selbstansprüchen – wer den Mund zu voll nimmt, scheitert schneller, als er oder sie gucken kann. „Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen“ heißt ein weiteres Sprichwort, und es trifft auch auf die erwähnten Gescheiterten zu. Wer den Mund zu voll nimmt und scheitert, wird zum Gespött der Leute. Schadenfreude breitet sich aus, den Rest besorgen Presse und Social Media. 


Warum das so ist? Nun, uns Durchschnittsmenschen ist alles suspekt, was das alltägliche Mittelmaß übersteigt. Wer sich als besonders clever, als unschlagbar oder als moralisch „heilig“ anpreist, wird argwöhnisch beäugt und an seinen Taten gemessen. Scheitert jemand an seinem Selbstanspruch, ist die Welt von uns Normalos wieder in Ordnung. Spott und Schadenfreude sind Ventile, die das alltägliche Mittelmaß erträglich machen. 


„Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen“ – so geschehen auch damals auf Golgatha, jenem Hinrichtungshügel vor den Toren Jerusalems. Da hing einer, dessen Fall hätte nicht tiefer sein können. Ihn umgab zu Lebzeiten der Nimbus des Heiligen. In seinen Predigten prangerte er das Mittelmaß pharisäischer Moral an. Mit seinen provokativen Sprüchen macht er sich nicht nur Freunde. Mit seinen Wundertaten und Gleichnissen polarisierte er nach Kräften. Die Einen fanden ihn klasse, für die Anderen war er ein Spinner, wenn nicht sogar ein gefährlicher Aufrührer. Seine Jüngerinnen und Jünger hielten ihn sogar für den Messias, den gesalbten Erlöser und Sohn Gottes.


Jetzt hing er hier, am Kreuz der Römer, gescheitert auf ganzer Linie. Sein heiliger Nimbus – verpufft. Der Christusglaube der Jüngerinnen und Jünger – widerlegt. Jesus von Nazareth, selbsternannter Moralprediger und Erlöser – ein Gespött des Publikums. Und der Gipfel des Hohns: Er möge doch bitteschön vom Kreuz steigen, wenn er denn Gottes Sohn sei. Dann würden sie ihm ja vielleicht glauben. Wer sich als Gottes Sohn ausgibt, müsse sich schließlich mit Gottes Allmacht aus der Affäre befreien können! Und wer würde schon freiwillig auf solch eine Chance verzichten? Kein Mensch!


Liebe Gemeinde, die Logik der Spötter ist plausibel. Der Gott Israels hatte sich schon immer allmächtig in die Geschicke seines Volkes eingemischt – erwählend und rettend, manchmal auch strafend. Der Glaube an Gott war der Glaube an seine Allmacht, mit der er die Erwählten retten und die Gottlosen bestrafen konnte. Der logische Schluss daraus: Ließ Gott diesen Jesus am Kreuz verenden, gehörte Jesus nicht zu den Erwählten, sondern zu den Gottlosen, den Gotteslästerern. Sein letzter Aufschrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ dokumentiert nach dieser Logik das grandiose Scheitern des Mannes aus Nazareth. So einfach – und doch so falsch.


Denn offensichtlich hatten die Spötter nicht genau hingehört, als Jesus vom Gott Israels gepredigt hatte: Von dem Gott der Liebe, der Versöhnung und der schier grenzenlosen Geduld. Vom Gott, der sogar auf den Gebrauch seiner Allmacht verzichtet, um das Böse aus der Welt zu schaffen. Gottes steter Tropfen der Gewaltlosigkeit sollte den Stein des Bösen aushöhlen. Weil es nämlich noch nie funktioniert hat, Gewalt durch Gegengewalt zu beenden – in der Antike nicht, in der Ukraine nicht und anderswo auch nicht. 


Nein, die Spötter von Golgatha hatten nicht genau hingehört. Oder sie hatten genau zugehört und wollten gerade deshalb Jesus ans Kreuz nageln: Weil er ihre Lebensphilosophie, ihren Glauben an den allmächtigen Gott, der die Erwählten rettet und die Gottlosen bestraft, auf den Kopf stellte – und damit die Grundlage ihrer Führungsposition im Volk. Denn, so die Logik, wenn Gott andere Wege ging, als ständig seine Allmacht zu beweisen, waren ihre eigenen moralischen Druckmittel auf das Volk fragwürdig. Kurzum: Jesus musste weg! So, wie jede Gesellschaft die Lichtgestalten, Visionäre und Heiligen aus dem Weg räumt, weil sie ihr den Spiegel vorhalten. Weil sie demonstrieren, dass das Mittelmaß nicht genügt, und dass es auch andere Wege als die normalen gibt, aus der Welt einen besseren Ort zu machen. Und so stellten sie Jesus nach, intrigierten gegen ihn und lieferten ihn am Ende den Römern aus. Jesus wurde gekreuzigt, und ihr Weltbild war wieder in Ordnung. Der religiöse Troublemaker war ausgeschaltet, die Grundsatzkritik an ihrem Führungsstil endlich verstummt. 


Liebe Schölleraner / Gruitener, so ganz unspektakulär und gewaltfrei ging das Karfreitagsgeschehen auf Golgatha nun auch wieder nicht über die Bühne. Glauben wir Matthäus, geschahen zur entscheidenden Stunde kosmische Zeichen – Finsternis, Erdbeben und eine vorgezogene Auferstehung von Toten – also doch ein paar Hinweise auf Gottes Allmacht. Und prompt entfährt es einem römischen Offizier und seinen Soldaten: „Wahrhaft, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ Von den Spöttern ist hingegen nicht mehr zu lesen. 


Der Offizier und seine Soldaten haben immerhin die eine Hälfte der Wahrheit erkannt. Und die andere Hälfte? Nun, die heißt: Gerade in seinem Verzicht darauf, göttliche Allmacht in Anspruch zu nehmen, gerade in seiner Bereitschaft, dem Tod nicht auszuweichen, erwies sich Jesus als der Sohn seines Vaters – des Gottes der Liebe, der Versöhnung und des Gewaltverzichts. Gerade im Verzicht, vom Kreuz herabzusteigen, durchkreuzte Jesus die Strategie des Bösen. Wäre Jesus der letzten Versuchung erlegen, hätte das Böse in Gestalt von vitalen Interessen, Überlebenstrieb, Machterhalt und dem Wunsch, es den Anderen am Ende noch zu zeigen, einmal mehr triumphiert.


Wäre Jesus vom Kreuz gestiegen, wäre er wie jeder andere Mensch in Verruf geraten, im Zweifel doch eher seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, als seiner göttlichen Mission zu folgen. So aber wurde Jesus nachhaltig glaubwürdig – für römische Soldaten und für zahllose Menschen in den letzten zweitausend Jahren. So wurde er zum Initiator des christlichen Glaubens bis heute. 


In diesem Sinne musste Jesus sterben, um seiner und Gottes Glaubwürdigkeit willen. Er blieb sich selbst treu und er blieb seinem Gott treu. Dessen Allmacht zeigte sich nicht in ein paar kosmischen Zeichen an Karfreitag, sondern am Ostermorgen. Gottes Strategie ist es nicht, Leiden und Sterben zu verhindern, sondern den Tod zu überwinden. Der Tod hat nicht das letzte Wort – das ist unsere christliche Hoffnung bis heute!


Halleluja.



Predigt Judika, 17. März 2024, Schöller, über Gen 22,1-14 von Pastor Kurt Erlemann


Liebe Schölleraner, liebe Gruitener,


der Predigttext zum heutigen Sonntag Judika ist eine einzige Zumutung – jedenfalls auf den ersten Blick. Ich fand diese Geschichte von Isaaks Opferung früher nur grausam und schrecklich. Das Bild von Gott, das die Erzählung zeichnet, schien mir schier unerträglich. Was Gott da von Abraham fordert, grenzt an Sadismus, so meine Einschätzung. Erst bekommen Abraham und Sara im hohen Alter endlich den lang ersehnten Stammhalter, dann wird er als sinnloses Opfer wieder eingefordert. Was mutet Gott da den Eltern des kleinen Isaak zu? Das erscheint unmenschlich und ist theologisch nur schwer zu erklären. 


Heute, im fortgeschrittenen Lebensalter, lese ich den Text aus einem anderen Blickwinkel. Meine Lebenserfahrung kennt inzwischen vergleichbare Situationen. Nicht, dass von mir ein Sohn zurückverlangt worden wäre. Aber dass ich an die Grenzen meiner Belastbarkeit geführt wurde – physisch wie psychisch –, dass früheres, hart erkämpftes und sicher geglaubtes Glück auf einmal zwischen den Händen zu zerrinnen schien, oder dass ich mich unter massiven Druck gesetzt fühlte und ebendies meine Lebensfreude ganz erheblich einschränkte – all das habe ich inzwischen erlebt, vielleicht ja auch erleben müssen, um da zu stehen, wo ich heute stehe – vor Ihnen hier in der wunderschönen Kirche von Schöller und an der Seite meiner Frau. 


Nicht wahr, solche Situationen gibt es immer wieder einmal im Leben. Sicherlich könnten wir uns lange darüber austauschen – wie sich das anfühlt, wenn die so schön gestylte Zukunft wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, weil andere Menschen einem das Lebensglück nicht gönnen, weil ein Unglück uns trifft von jetzt auf gleich, weil eine Trennung jeden Lebensmut nimmt oder weil wir mit einer bedrohlichen Diagnose konfrontiert werden. In solchen Situationen stellt sich die Sinnfrage ganz konkret, und damit die Theodizeefrage – das heißt die Frage, ob denn Gott gut und gerecht sein könne, wenn er derlei schlimme Zumutungen zulässt. Warum lässt du das zu, Gott? So fragt schon Hiob, so fragen viele Psalmbeter. Wo bist du, Gott? So fragt Jesus am Kreuz, so fragen viele Menschen immer wieder, auch heute.


In einer solchen Gemütslage können wir nur ungläubig über die Haltung Abrahams staunen, der ohne sichtbare Reaktion und Emotion, gleichsam stoisch, der Aufforderung Gottes nachkommt, mit seinem einzigen, geliebten Sohn Isaak aufzubrechen, um ihn, ohne zu wissen warum und wieso, wieder herzugeben, zu töten, zu opfern. Wer von uns würde nicht aufschreien, revoltieren, anklagen, nach dem Sinn einer solch brutalen Zumutung fragen? Wer von uns würde nicht fragen, ob Abraham denn keine Vaterliebe empfand? Er besprach sich nicht einmal mit Sara, der Mutter des Jungen, darüber. Jedenfalls lesen wir nichts darüber. Es scheint gerade so, als würde er es billigend in Kauf nehmen, dass es ihr am Ende das Herz bricht. Oder war sich Abraham so seines Glaubens sicher, dass dieser Gott es nicht zum Äußersten kommen lassen würde? War Abraham vielleicht sogar wahnsinnig? Oder hatte er nur einen Wahnsinnsglauben? 


Liebe Gemeinde, die Bibel zeichnet Abraham als das große Glaubensvorbild schlechthin. Nicht nur in den Erzelternerzählungen, sondern auch in den Evangelien und bei Paulus wird sein Glaube gerühmt. Paulus sieht gerade in Abrahams Haltung den Weg vorgezeichnet, wie Menschen vor Gott gerecht werden können – sola fide, allein aus Glauben, wie Martin Luther übersetzt. Doch ist ein solcher Glaube nicht übermenschlich, unerreichbar? Wir sind jedenfalls nicht Abraham – der scheint wie von einem anderen Stern. Wir sind eher wie Stabhochspringer, die sich vergeblich abmühen, die hochgehängte Latte zu überspringen, und kläglich daran scheitern.


Ebenso umstürzend wie Gottes Forderung an den Erzvater ist die Lösung des Problems am Ende der Erzählung: Gott lässt es tatsächlich nicht bis zum Äußersten kommen. Isaak darf weiterleben; Abraham muss ihn nicht töten, er darf an seiner Stelle einen Widder schlachten. Damit ist das Ende des archaischen Menschenopfers markiert. Abraham hat die ultimative Glaubensprüfung bestanden. Diese Prüfung zielte auf das Erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ Gott hat demnach die oberste Priorität im Leben; alles andere, woran wir unsere Gefühle verschwenden, darf nicht zur Konkurrenz zu Gott werden. Der eifersüchtige Gott des Ersten Gebots will es genau wissen und führt Abraham zum Äußersten. Isaak steht symbolisch für die Versuchung, das Erste Gebot zu durchbrechen. 


Liebe Gemeinde, ich bin ehrlich: Ich tue mich bis heute mit diesem Gottesbild schwer. Jederzeit bereit sein, alles aufzugeben, an nichts und niemanden das Herz hängen – dieser Gedanke überfordert mich massiv und er scheint mir auch kaum vermittelbar – den eigenen Kindern nicht, auch nicht der Ehefrau und den Freunden und schon gar nicht Schülerinnen und Schülern, Konfirmandinnen und Konfirmanden. Wie also können wir mit der Zumutung des Predigttextes umgehen? 


Ich meine, und dabei berufe ich mich auf viele andere Bibeltexte, von den Klagepsalmen über Hiob bis hin zu Jesus am Kreuz von Golgatha: Es ist absolut menschlich und in jedem Falle legitim aufzubegehren, zu klagen, die Zumutung herauszuschreien wie Jesus im Garten Gethsemane: „Vater, lass den Kelch an mir vorübergehen!“ oder am Kreuz von Golgatha: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Ja, selbst Gott anzuklagen, den ganzen Lebensfrust ihm entgegenzuwerfen, wie Hiob es tat, ist biblisch und menschlich zugleich. 


Das Entscheidende scheint mir zu sein, das Vertrauen nicht zu verlieren, dass am Ende alles gut wird. Gott wird es richten, er wird mein Leben zu einem guten Ende bringen – egal, was ich gerade an Zumutungen erlebe. Gott kann selbst aus sauren Zitronen Limonade machen, er kann aus den unverständlichsten Zumutungen etwas Gutes, Befreiendes für uns machen, ja er kann selbst aus dem Tod heraus neues Leben schaffen, denn er ist ja der Schöpfergott! Auch das habe ich nicht nur einmal erfahren: Immer dann, wenn eine Türe zufiel und ich mich im Regen wiederfand, tat sich eine andere Tür auf, die mich zu neuem Leben einlud. Im Februar waren es die außerordentlich großen und einladenden Kirchenportale von Gruiten und Schöller. Und so stehe ich heute hier vor Ihnen, finde mich eingeladen und herzlich willkommen geheißen zu einer neuen Aufgabe in Ihrer, in unserer Gemeinde. Und meine Frau und Enya, unsere Golden Retriever-Hündin, gleich mit! 


Auch als Pastor will und kann ich mich nicht mit Abraham messen, das würde mich nur runterdrücken. Aber ich will wie jener Stabhochspringer trainieren und dann Anlauf nehmen, auch wenn ich davon ausgehen muss, dass ich an der Messlatte Abrahams bzw. Gottes scheitere. Ich tue es im Glauben, dass Gott mir im entscheidenden Moment aus lauter Gnade die Hand reicht und mich drüberlupft, wie man in Südbaden sagt. So ist mein Trainingsaufwand am Ende doch erfolgreich – weil dann Gnade und Glaube in passender Weise, heilvoll, zusammenkommen. Ich möchte mich an diesem Gott orientieren, der zwar viele Zumutungen zulässt, der uns aber nicht fallenlässt, sondern uns immer wieder Kraft gibt und uns im entscheidenden Moment über die Hürden des Lebens hinüberhilft. 


Liebe Gemeinde, in diesem Sinne freue ich mich und bin dankbar über die neue Aufgabe hier in Schöller und Gruiten. Mit den mir geschenkten Gaben werde ich Sie ein Stück weit begleiten durch die Höhen und Tiefen des Gemeindelebens. Ich baue auf ein kreatives und weiterführendes Miteinander, auf gegenseitigen Respekt, auf wohlwollende Nachsicht sowie auf die Liebe Jesu Christi als gemeinsames Fundament. Mit Gottes Hilfe.


Amen. 



Predigt Familienkirche 10. März 2024 von Jugenddiakon Lars Dierich


Wer bin ich für dich? Mk8, 28-38


„Du bist das Wertvollste, was ich habe!“ … „Du bist ein Schatz, auf dich kann ich mich immer verlassen!“


Welch Worte, die ans Herz gehen. Und vor allem dann, wenn sie von Herzen kommen. Ernst gemeinde Worte, die aus dem Innersten kommen und persönlich sind. Nicht nachgeplappert, weil man das so sagt. Nicht nachgeplappert, weil das alle sagen und man damit nichts falsch macht. Worte, die Beziehung ausmachen. Eine Beziehung, sie auf Ehrlichkeit aus ist und es ernst meint.


„Wer bin ich? Wer bin ich für dich?“ Das fragt Jesus seine Schüler, Freunde und Anhänger. Nicht, um Lobesworte zu bekommen oder sich schmeicheln zu lassen, sondern aus Neugier. Er möchte sich vergewissern, was ihnen die Beziehung zu ihm bedeutet und wie sie zu ihm stehen: Wen sie in ihm sehen, welche Perspektive sie haben…


Du bist einer der Propheten, gar du bist Elija oder sogar du bist der ersehnte Christus: Die Aussagen und Belobigungen können höher und wertiger gar nicht sein. Aber Jesus ficht das gar nicht an. Er könnte sich einen Keks freuen und ein Loch in den Bauch lachen, weil er seine Mission erreicht hätte. Das Geschwätz der Menschen interessiert Jesus nicht. Er weiß, wie schnell man einfach das nachplappert, was andere sagen. Er weiß darum, dass scheinheilig gerne Komplimente gemacht werden. Smarter Smalltalk kann ja nie schaden, ein bisschen Zucker um den Mund geschmiert erhält die Freundschaft. Aber das will Jesus gar nicht hören. Er will von seinen Freunden und Anhängern hören, wer er für SIE ist. Er möchte eine ehrliche Auskunft. Lieber etwas weniger aufgetragen, dafür ein Bekenntnis, das aus dem Herzen kommt.


Da hat er Petrus vor sich, der immer schnell dabei war, wenn es darum ging sich zu profilieren und zu prahlen. Petrus nahm immer gerne den Mund etwas zu voll. Meistens so voll, dass es einem Wunder gleich kommt, dass er überhaupt noch ein verständliches Wort raus bekommt. Und auch jetzt platzt er gleich mit dem ultimativen CHRISTUS, dem von Gott geschickten Retter raus.


Und prompt platzt Jesus der Kragen, er explodiert wie ein Geysier, wenn ein Stück Seife ins Wasser geworfen wird oder ein Vulkan. Jesus hat auf der Stelle Puls und fährt aus der Haut: „Weg mit dir, scher dich zum Teufel!“ brüllt er Petrus an.  Nicht, weil Petrus was falsches über ihn gesagt hätte und Jesus damit in falsches Licht gerückt hätte. Vielmehr weil Petrus etwas von Jesus behauptet zu kennen oder wissen, ohne eine blasse Ahnung zu haben. So erklärt Jesus seinen anderen, die dabei waren genau, was auf ihn zukommen wird,  einschließlich der Ankündigung des nahe bevorstehenden unfreiwilligen Todes. In dem Moment ist nichts mehr, wie wir es von Jesus erwarten, Jesus tickt richtig aus, ja er geht richtig steil und brüllt Petrus an: „Weg mit dir, scher dich zum Teufel!“ Wir müssen uns vorstellen, da brüllt der beste Freund dich an „Geh mir aus den Augen!“ ... Richtig heftig... Jesus verliert so richtig die Kontrolle. Warum??


Er sieht die Gedanken und Hoffnungen seiner besten Freunde, seiner Jünger. Sie haben ihn entweder noch gar nicht verstanden und plaudern einfach allgemeine Stimmung nach oder haben nur die Perspektive, dass Jesus gekommen ist, um in Gottes Namen die Römer aus dem Land zu scheuchen. Rein politische Aktion, religiös aufgeladen. Kennen wir aus heutigen Zeiten ...


Aber das ist nicht der  Grund für Jesus‘ Ausrasten. Er bemerkt, dass die frommen, gläubigen Freunde eine völlig falsche Perspektive haben. Jesus geht es um eine ganz andere Perspektive. Er möchte den Vertrauensbruch, der zwischen Mensch und Gott besteht und die Beziehung belastet, kitten, will die Beziehung wieder in Ordnung bringen. Das geht nur, wenn sie ehrlich zu ihm stehen und Klartext aus dem Herzen reden, sich nicht hinter der Meinung anderer verstecken.


58% der Deutschen glauben an Gott, kaum zu glauben. Über die Hälfte der Deutschen glaubt angeblich an Gott, sind wir hier die Hälfte von Gruiten? Die meisten sehen in Jesus einen besonderen Menschen, jemand, der das sittlich Gute vorgelebt hat und nach dem sich zu richten, das Gewissen beruhigt ... aber genau hier sind wir wieder an der Stelle von Petrus und Jesus, wo er so ausrastete.

(Petrus nannte Jesus noch seinen persönlichen Retter. Steile These. Wenn ich als DLRG-Rettungsschwimmer jemanden am Strand aus dem Wasser ziehe, werde ich zum Retter, vielleicht hat in wirklich schwerer Not schonmal jemanden den Rettungsdienst rufen müssen und hat einen Retter erlebt. Aber Jesus = Retter??)


Es geht hier um die PERSPEKTIVE. Es geht darum, dass Jesus eine persönliche Beziehung zu dir und mir pflegen will. Das ist wie bei einer besten Freundschaft, wo die oder der fragt: Wer bin ich für dich? Ein erstes Date. Sie oder er fragt dich: Was bin ich für dich? Du machst die besten Komplimente, aber im Herzen ist keine Vertrautheit da, kein Sch-hingezogen-fühlen. Aus der Beziehung wird nie was! ... Weil die Perspektive eine andere ist. Das Wichtigste ist nicht da. .. Es geht um die Beziehung im Herzen.


Was rate ich, um eine intensive Beziehung zu Gott zu pflegen?

1.) Laufend beten am Tag?

2.) Das Haus voll mit frommen Sprüchen dekorieren?

3.) BibelTV und Evangeliumsrundfunk als Dauerbesudelung?


Sicher nicht!! Sicher nicht!!!...

Bitte jetzt nicht falsch verstehen, sonst steht morgen in der Zeitung und RTL mit dem Ü-Wagen hier und titelt: die Kirche rät jetzt schon vom Beten und Bibellese ab. ;-)


Sicher nicht!! deshalb, weil es nichts über die Beziehung im Herzen aussagt. Ohne Herzensangelegenheit bleibt ein Gebet Wortgeklingel, eine Bibellese im besten Fall eine wohlklingende Rezitation ... es geht um die PERSPEKTIVE JESUS!


PERSPEKTIVE JESUS bedeutet Beziehungen in Ordnung zu bringen - die zu Gott und die zu meinen Mitmenschen.

PERSPEKTIVE JESUS heißt sich in politischen und gesellschaftlichen Fragen immer wieder zu Herzen zu nehmen: Was würde Jesus an meiner Stelle tun?! Wir sind in die Nachfolge gerufen, sind seine Nachfolger und Berufene, in Gottes Auftrag genau das Gleiche zu tun wie er.


PERSPEKTIVE JESUS gibt dir eine neue Identität.

PERSPEKTIVE JESUS ändert deine Perspektive auf deine Umwelt, auf Gott - und auf DICH!!!


Herzliche Einladung von Jesus persönlich an dich: Was denkst DU? Wer ist er für DICH? Ganz persönlich, ganz sinnstiftend, ganz liebend. Die kleinen Schritte sind entscheidend. Die kleinen Momente lassen Reich Gottes in unserem Umfeld erkennbar werden. Mit Ehrlichkeit im Herzen, Offenheit und Zugewandtheit werden die Menschen erkennen, dass Jesus in uns wohnt und wir als Christen mit ihm unterwegs sind.


AMEN




Predigt Okuli, 3. März 2024, Gruiten-Schöller, über 1 Petr 1,13-21 - von Pfarrer Kurt Erlemann


Liebe Schölleraner / Gruitener,


wissen Sie, was wir sind als Schölleraner / Gruitener Kirchengemeinde? Wir sind höchst privilegiert – nicht nur sozial und von der Bildung her, sondern wir sind von höchster Stelle, von Gott selbst, privilegiert, zu Höherem berufen. Ja, wir sind etwas ganz Besonderes – für Gott jedenfalls. Wir Menschen alle sind das Ziel all seiner Investitionen – von der Schöpfung angefangen bis hin zum Leben seines Sohnes. Wir als Christengemeinde, als Kirche, sind Gott sogar heilig, so drückt es der Predigttext aus. Heilig und besonders – das ist eigentlich dasselbe Wort. Heilig ist das, was vom Alltag abgesondert ist, was eine ganz besondere Qualität hat, was extrem wichtig ist, was unantastbar ist – wie etwa der heilige Sonntag oder die Familie oder das sprichwörtlich heilig´s Blechle, wie die Schwaben sagen. Viele Höfe außerhalb der Ortschaften heißen in unserer Region hier bis heute „Im Sondern“ oder ähnlich.


Wir sind Gott heilig, wir sind sein Augapfel, seine Lieblingsmenschen. Auf uns lässt er nichts kommen, für uns würde er alles tun. Er lässt uns nicht fallen, ja er verteidigt uns bis aufs Blut Christi am Kreuz von Golgatha. Wow – das hört sich schon ziemlich besonders, ziemlich speziell an, finden Sie nicht? Und da Gott so viel in uns investiert hat und immer weiter investiert, hat er natürlich auch seine Erwartungen – ganz besonders an uns als Christenmenschen und als Gemeinde von Schöller / Gruiten. 


Jesus drückt das so aus: Er nennt seine Jüngerinnen und Jünger in der Bergpredigt „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“. Diese Metaphern umschreiben unsere Berufung, unser Privileg: Wir sind das, was der Erde die Würze für ein schmackhaftes Leben verleiht, wird sind das, was der Welt Wärme und Orientierung gibt. Wie? Soll an unserem Wesen etwa die Welt genesen? Ja, sagt Jesus, und nicht nur das: Er sagt auch, dass das gelingen kann und wir tatsächlich der Gesellschaft etwas Wertvolles geben können, etwas Überlebenswichtiges sogar. Wir haben als Gottes Lieblingsmenschen, als Kirchengemeinde, das Zeug dazu, den Menschen Orientierung und Wärme, Würze und Lebensfreude zu geben. Denn all das haben wir schon empfangen, es ist die Grundausstattung getaufter Menschen sozusagen. Wir sind „Salz der Erde“, wir sind „Licht der Welt“, weil Gott uns dazu privilegiert, berufen hat. Ja, noch mehr: Wir haben das Potenzial, so vollkommen wie Gott selbst zu sein. Oder wie es der Predigttext aus dem Ersten Petrusbrief formuliert: So heilig zu sein wie Gott selbst! 


Das sind nun Aussagen, die sind schier unglaublich: Wir Menschen – vollkommen und heilig wie Gott selbst? Wir reiben uns verwundert die Augen. Denn – schauen Sie sich einmal in unserer Gemeinde und in unserer Kirche um: Wie viel ist davon erkennbar? Sind wir nicht Lichtjahre von dieser tollen Bestimmung entfernt? Was für ein Bild geben wir als Kirche nach außen ab, mit all den Skandalen und kleingeistiger Vereinsmeierei? Das Fatale ist ja: Am Anspruch, heilig und vollkommen zu sein, am Anspruch, ethisch-moralisch vorbildlich zu sein, wird die Kirche und mit ihr wir, die wir für sie stehen, gemessen. Die Kirche gilt bestenfalls als scheinheilig und als äußerst unvollkommen. An diesem Wesen wird die Welt sicher nicht genesen. Die Welt hat es längst erkannt und erwartet von den Kirchen nicht mehr allzu viel – außer, dass sie endlich anfangen möge, all die Missstände aufzuarbeiten. Würze, Trost, Wärme und Orientierung suchen die meisten heute woanders. Und was mit Salz passiert, wenn es nicht mehr würzt, sagt die Bergpredigt ebenso unverhohlen: Man wirft es weg, und das war´s. Und ein Orientierungslicht ist ohne Sinn, wenn man es nicht leuchten lässt. 


Liebe Schölleraner / Gruitener Gemeinde, diese Bestandsaufnahme ist äußerst ernüchternd. Und wir müssen uns nicht wundern, wenn zigtausende Menschen Jahr für Jahr der Kirche den Rücken kehren und wir uns über Kirchenschließungen und Pfarrstellenabbau unterhalten müssen. Die Denkrichtung ist für mich jedoch nicht in erster Linie, welchen Laden wir als Nächstes dichtmachen sollten. Ich frage vielmehr positiv: Welches Potenzial schlummert trotz allem in unseren Gemeinden? In jeder und jedem von uns? Ich bin überzeugt: Wir können dieses Potenzial nicht hoch genug einschätzen, denn es ist uns von höchster Stelle geschenkt. Gott investiert so ziemlich alles, was wir uns vorstellen können, damit durch uns wieder Hoffnung und Zuversicht, Nächstenliebe und Versöhnung, Respekt und Toleranz in die Welt einziehen. Gerade heute warten die Menschen auf uns – sie sehnen sich nach positiven, tröstlichen Impulsen, nach guter Botschaft in all diesen Krisen. Die entscheidende Frage ist: Wie können wir das Potenzial, das Jesus seiner Gemeinde zuschreibt, wieder zum Tragen bringen, es sichtbar machen? Die simple Antwort lautet: Als reich von Gottes Gnade Beschenkte können wir jede Menge Lebenselixier austeilen und weitergeben; das haben wir gerade gesungen und durchbuchstabiert. Wenn wir es tun, dann ist uns die Hochschätzung der Öffentlichkeit sicher. Dann wird der Glaube wieder glaub-würdig erscheinen und unsere Kirche wieder Zulauf erhalten, davon bin ich überzeugt. 


Wie war das noch mit Margot Käßmann? Sie hat ein Zeichen gesetzt für die Art und Weise, wie Christinnen und Christen mit Fehlern umgehen können; damit ist sie ihrer Vorbildfunktion gerecht geworden und hat damit Menschen ein Stück weit den Glauben an die Kirche zurückgegeben. Wie war das noch mit Papst Franziskus, als er sein Amt antrat? Er wusch den Gefangenen Roms die Füße und verzichtete auf seinen vatikanischen Palazzo – Symbole der Demut, Zeichen, die ebenfalls aufhorchen ließen und Hoffnung machten. Und wie war das mit all den Hoffnungsträgern früherer Zeiten – mit Dietrich Bonhoeffer, Mutter Theresa, Mahatma Gandhi, Martin Luther King und mit all den Unbekannten, die für ihren Glauben einstanden, ihr Leben hingaben und damit Zeichen setzten? Wie war das mit Jesus von Nazareth, der dem Kreuz auf Golgatha nicht auswich und uns damit eine bleibende Hoffnung auf die Überwindung von Leiden, Schuld und Tod schenkte? 


Sie alle sind Leuchttürme unseres Glaubens, Orientierungsmarken für Menschen aller Religionen, dass es auch anders laufen kann als normal, wo Geld die Welt regiert, wo Korruption und Despotismus herrschen, wo man sich gegenseitig in den sozialen Medien anfeindet und fertigmacht, wo billige Parolen und scheinbar einfache Lösungen für die komplexen Themen unserer Zeit propagiert werden – kurz: Wo man den Glauben an das Gute, an Liebe und Versöhnung, an Frieden und Gerechtigkeit verlieren kann.


Liebe Schölleraner / Gruitener, wir müssen keine Käßmanns, Gandhis, Franziskusse oder Bonhoeffers werden. Für Gott sind wir Lieblingsmenschen, so wie wir sind – ohne Ansehen der Person, wie unser Predigttext betont. Er steckt sein unerschütterliches Vertrauen und seine schier unendliche Geduld in uns. Er verschwendet seine Liebe an uns und freut sich einen Keks, wenn wir das erkennen und reichlich davon weitergeben – mit kleinen Gesten der Liebe und Zuwendung, mit dem Willen, zwischenmenschliche Gräben (auch zwischen zwei Gemeindeteilen) zu überwinden, mit dem Mut, zum Glauben zu stehen und mit der Energie, den Laden Kirche vorwärts zu bringen – ausgestattet mit der reichen Liebe Gottes, befreit von unseren Altlasten durch das Geschenk der Vergebung. Als seine Lieblingsmenschen sind Gott heilig, auch wenn wir unvollkommen sind. Wir sind für ihn „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“. Wir haben unendlich viel Gutes und Wichtiges zu geben. Das ist unsere Berufung, das ist unser Privileg! Lassen Sie es uns gemeinsam umsetzen.


Amen.


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